Einer der Gründe, warum ich so passioniert versuche, das Lernumfeld von Kindern positiv zu beeinflussen, ist ihre Direktheit. Es gibt kaum ein Problem, das nicht einer sehr simplen Lösung zugeführt werden kann. Im Umgang mit Kindern sticht aber ein Aspekt besonders hervor: Kinder können mit der Heuchelei von Erwachsenen nicht umgehen. Erzieherische Maßnahmen sind auch unter diesem Gesichtspunkt zu beleuchten. Still zu sein, Respekt entgegenzubringen und bestimmte Verhaltensmuster einzuhalten, sind nicht nur Verhaltensregeln, die wir von unseren Kindern verlangen, wir sollten sie auch peinlichst genau selbst einhalten …
1. Die doppeldeutige Botschaft als Quelle der Überforderung!
Manche Eltern kennen das Problem: Sie „befehlen“ ihrem Kind leise zu sein und unterhalten sich fast im gleichen Atemzug laut mit ihren Gesprächspartnern oder streiten mit anderen Menschen - vermutlich nicht leise. Die Botschaft für die Kinder: „Man muss laut sein, um gehört zu werden!“ Wie verhalten sich unsere Jüngsten beim nächsten Konflikt? Laut, um gehört zu werden, entweder mit ihren Spielkameraden oder mit Erwachsenen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Respekt. Meiner bescheidenen Meinung nach gehören stets zwei Parteien zum Respekt. „Der Respekt, den ich dir entgegenbringe, erwarte ich auch mir gegenüber von dir.“ Also müssen wir als Erwachsene dafür sorgen, dass wir unseren Kindern stets mit Respekt begegnen. Denn einseitiger Respekt ist Angst und vielleicht nicht die absolut beste Methode, zwischenmenschliche Kommunikation zu lernen. Dem Argument „wir sind deine Eltern und daher hast du uns zu respektieren“ kann ich nur etwas abgewinnen, wenn wir als Erwachsene unsere Kinder als eigenständige Entitäten wahrnehmen und sie auch so behandeln.
2. Erziehung ist Leadership, nicht „Bossing“!
Dieser Aspekt erscheint einleuchtend, wird aber oft vergessen. Unsere Jüngsten lernen am leichtesten und effektivsten durch Nachahmung, nicht durch das intellektuelle Verständnis von Verhaltensregeln. Dieses Verständnis kommt später, aber effektiver ist es durch Nachahmung. Hier kommt der Aspekt des Leaderships zum Tragen. Wenn wir etwas wollen, müssen wir mitmachen und gemeinsam an einem Strang ziehen, nicht befehlen, etwas zu tun. Frei nach dem Motto: „Let’s do this“ und nicht „I want you to do that“. Im späteren Berufsleben beschweren wir uns über Chefs, die sich nicht an ihre eigenen Regeln halten können und nicht den kleinen Finger krümmen.
In der Erziehung verhält es sich ähnlich, nur dass sich unsere Kinder nicht darüber beschweren. Sie sind durch diese Doppeldeutigkeit, diese Heuchelei, überfordert und wissen nicht, wie sie sich entsprechend zu verhalten haben. Denn etwas dürfen wir als Eltern nie vergessen: Unsere Kinder wollen eigentlich, dass wir sie lieben und mit ihnen zufrieden sind. Wenn sie sich protestierend verhalten, dann vermutlich, weil sie mit einer gegebenen Situation schlicht nicht umgehen können.
3. Fortsetzung von Familienmustern?
Über diesen Aspekt traue ich mich kaum zu schreiben, aber ich weiß von ihm und möchte ihn deswegen nicht unerwähnt lassen. Oftmals setzen sich bestimmte, negative Verhaltensmuster zwischen unseren Eltern und uns bei der Erziehung unserer Kinder fort. Mag es ein bestimmtes Autoritätsmuster sein, das gegenseitigen Respekt erschwert, oder die fehlende und doppeldeutige Kommunikation mit unseren Kindern, die in Streitereien und gegenseitiges Unverständnis münden. Die betroffenen Personen sind hier allerdings bei psychologischen Expert/-innen und Coaches besser aufgehoben als in den Zeilen diverser Ratgeber und Artikel.
Fazit: Selbst die Veränderung sein!
Ich persönlich habe ein Zitat von Mahatma Gandhi zu einem meiner Lebensmottos erklärt: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt!“ Wir alle kennen vermutlich Erziehungsmuster unserer Eltern, die uns missfallen haben. Aber den Kreislauf der Weitergabe zwischen den Generationen können wir nur selbst beenden und mit gutem Beispiel vorangehen. Bringen wir unseren Kindern jenen ehrlichen Respekt entgegen, den auch wir von ihnen erwarten. Wenn wir ein friedliches und kommunikatives Miteinander verlangen, müssen wir das auch selbst leben. In der frühkindlichen Phase, die primär durch Nachahmung geprägt ist, erscheint es umso wichtiger, als Leader voranzugehen und nicht als Boss hinterher zu schreien …