Zu einem anderen Thema gefragt - es handelte sich um die Beziehungen der Türkei - hat mich Bundeskanzler Christian Kern an ein Zitat erinnert, das mich während meines Studiums an der Universität Wien begleitete. Rosa Luxemburg sagte einmal: „Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden!“ Das brachte mich gerade in Zeiten wie diesen, die von Radikalismen und Intoleranz geprägt sind, zum Nachdenken. Wenn Freiheit derart definiert wird, haben wir uns sicher ein Stück weit davon entfernt …
Freiheit als Element der Demokratie!
Freiheit ist ein zentraler Bestandteil der Demokratie. Wir haben sie uns hart erkämpft und vergessen das ständig. Ein Teil der Bürgerrevolutionen gegen den Absolutismus herrschender Königshäuser war die Freiheit, Meinungen fernab des gesellschaftlichen Mainstreams laut zu formulieren. In der Demokratie wurde diese Möglichkeit ein zentraler Bestandteil. Nicht umsonst waren die Grundsätze der französischen Revolution Liberté, Égalité und Fraternité. Bei uns dauerte diese Entwicklung länger und wurde letztlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Doch steht diese Freiheit wieder an der Kippe? Ja und nein!
Radikalismus als Unfähigkeit, anders zu denken?
Spontan fällt uns die zunehmende Radikalität weltweit ein. Sei es durch den sogenannten Islamischen Staat, einem Medienclown und Baumogul, der Präsident der USA werden möchte, oder durch radikale Positionen innerhalb unseres Landes. Ich frage mich, ob der Radikalismus eine Art der Unfähigkeit ist. Die Unfähigkeit, gesittet miteinander zu reden. Die Unfähigkeit, andere Meinungen zu diskutieren, aber auch von ihnen zu lernen. Die Unfähigkeit, das Gegenüber ausreden und daher einfach existieren zu lassen.
Wir sind entweder auf der einen, oder der anderen Seite. Wenn ich diese Form des Radikalismus meine, so meine ich das beiderseitig. Es fängt mit der Toleranz an. Wenn ich anderen Menschen gegenüber tolerant agiere, so kann moralisch fundiert argumentiert werden, dass von der anderen Seite unterschiedliche Meinungen respektiert werden sollen. Vorher ist es nicht mehr als Heuchelei.
Fazit: Der Andersdenkende ist ein Teil von uns!
Eine wesentliche Erkenntnis - und ein demokratisches Grundrecht - ist die Tatsache, dass die Andersdenkenden ein Teil unserer Gesellschaft sind und einen wesentlichen Teil zu unserer gesellschaftlichen Vielfalt beitragen. Das macht unsere Gesellschaft stark. Wenn ich also von Toleranz und Freiheit spreche, akzeptiere ich andere Meinungen und die Menschen, die dahinter stehen. Solange sie innerhalb der Spielregeln unseres Staates formuliert werden, habe ich sogar die Verpflichtung, sie anzuerkennen. Verlassen wir den Rechtsrahmen unseres Staates, so sind es nicht die Meinungen, die mich erschüttern, sondern die Form des Ausdrucks …