In Europa werden die Bedenken gegen das Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, immer lauter. Ungeachtet der wirtschaftlichen und geopolitischen Vorteile derartiger Abkommen, sind es rechtsstaatliche Bedenken und die Gefahr der europäischen Konsument/-innen, die ins treffen geführt werden. Oft wird vergessen, dass bereits ein ähnliches Abkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada ausgehandelt wurde und vor einem etwaigen Beschluss steht. Warum das CETA-Abkommen mit Kanada juristische Folgen für TTIP hat und warum demokratiepolitische Defizite der EU hier sichtbar werden, habe ich mir genauer angesehen.
1. Geopolitische Dimension des Freihandelsabkommen!
Diese Dimension wurde nie in der öffentlichen Diskussion beschrieben und dürfte eine zentrale Motivation für transatlantische Freihandelsabkommen sein. Ein Abkommen dieser Art vergrößert de facto den wirtschaftspolitischen Einflussbereich einer Region und lässt Europa und die USA/Kanada als gemeinsamen Global Player agieren. Wirtschaftssanktionen gegen ein Regime hätten so ein größeres Gewicht. Bisher agierten China und Russland stets als gemeinsamer „Block“ bei etwaigen Sanktionen gegen Syrien, den Iran oder Nordkorea, während die Positionen zwischen Europa und Amerika immer aufs Neue koordiniert werden mussten. Im Bedarfsfall zu sagen, der europäisch-amerikanische Markt sanktioniert bestimmte Regime unabhängig der Haltung Russlands und China, hätte einen größeren Effekt. Wenn es da nicht die vielen „Aber“ gäbe …
2. Die Bedenken!
In einem treffenden Artikel über das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA vor einiger Zeit habe ich bereits die juristischen Bedenken für Europa aufgezeigt. Die Bedenken gegen das CETA-Abkommen mit Kanada sind ähnlich. Dass der Konsumentenschutz nicht mehr oberste Priorität hat, wäre noch das geringere Übel (Stichwort genmanipulierte Lebensmittel). Es geht um die Installation von Schiedsgerichten, vor denen kanadische Unternehmen europäische Staaten klagen könnten, wenn in der Folge neu beschlossener Gesetze sich Gewinne negativ entwickeln könnten. Ein Beispiel: Der Zigarettenhersteller Philip Morris könnte ein europäisches Land klagen, dass ein Gesetz zum Nichtraucherschutz erlässt und in dessen Folge der Gewinn einbräche.
Dieses Video illustriert die Bedenken gegen das Freihandelsabkommen CETA sehr anschaulich!
Diese Bedenken werden umso lauter, wenn US-amerikanische Unternehmen über Niederlassungen in Kanada europäische Gesetze vor Schiedsgerichten zu Fall bringen könnten. Ein Freihandelsabkommen kann nur mit Respektierung der örtlichen Gesetze und der Rechtsstaatlichkeit funktionieren. Parallelregierungen aus multinationalen Konzernen, die über Schiedsgerichte Gesetze manipulieren, wären die vertraglich manifestierte Aushebung demokratischer Entscheidungsprozesse. Das Lobbying - und das genießt nicht gerade den besten Ruf - wäre im Vergleich dazu harmlos.
3. Eine demokratische Krise am Tiefpunkt des Vertrauens?
Vor dem Wochenende wurde bekannt, dass die Europäische Kommission die Möglichkeit prüft, ob das CETA-Abkommen auch ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente abgeschlossen werden kann. Ich bezeichne mich als glühenden Europäer und finde, dass demokratische Prozesse transparent ablaufen müssen, um das Vertrauen der Bürger/-innen in das europäische Projekt wieder herzustellen. Geheime Verhandlungen und Entscheidungen über den Kopf demokratisch legitimierter Parlamente hinweg wirken nicht gerade vertrauensbildend.
Fazit: TTIP Tür und Tor geöffnet?
Ein Abschluss des CETA-Abkommens ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente wäre ein Präjudiz für TTIP. Dieses könnte anschließend auch ohne die Zustimmung nationaler Parlamente verabschiedet werden. Auch wenn es nicht abgeschlossen würde, CETA würde US-amerikanischen Unternehmen über Niederlassungen in Kanada Klagen vor Schiedsgerichten ermöglichen. Ob das in einem Klima demokratischer Orientierungslosigkeit auf europäischer Ebene wirklich ein weiser Weg wäre, sei dahingestellt. Möchte die Europäische Union das Vertrauen in sie wieder zurückgewinnen, wäre es von Vorteil, die Bürger/-innen aktiv einzubeziehen …
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