Manche österreichische Politiker/-innen haben ein Talent. Talent zum Auffallen. Nicht etwa durch besonders produktive Politik, sondern durch Maßnahmen, die eher von Ignoranz gekennzeichnet sind. Österreichs bekanntester Langzeitstudent, der Außenminister, „glänzte“ medial mit einem Vorschlag, der Reaktionen von Augenrollen bis harsche europaweite Kritik hervorrufen. Es geht um einen Vorschlag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, der bestenfalls in Reihen rechtspopulistischer Politiker/-innen Jubelschreie auslöst und Fragen der politischen Bildung des jungen Herren offen lassen!
Vorbild Australien
Als Lösungsmodell dient das international scharf kritisierte Modell Australiens, das jedem Flüchtling, der über den Seeweg versucht, Asyl zu beantragen, das Recht auf Asyl entzieht. Die dahinterliegende Motivation ist, dass Seenot nicht zu Asylanträgen führen kann. Jene Menschen, die beim Versuch, über den Seeweg eine erfolgreiche Flucht zu bewerkstelligen, sollen auf dem Seeweg in Internierungslager gebracht und letztlich in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Als Ausgleich werden Flüchtlingen über Resettlement-Programme legale Möglichkeiten der Migration geboten. Dieses Modell hat nur einen entscheidenden Denkfehler: Derartige Programme sind an Kontingente gebunden. Bricht in der unmittelbarer Nachbarschaft ein Krieg aus, so haben die betroffenen Menschen Pech, wenn das Zahlenkontingent bereits erschöpft ist. Das ignoriert schlichtweg die Genfer Flüchtlingskonvention.
Äpfel und Birnen vertauschen
Darüber hinaus, lässt sich die Situation Australiens nicht mit jener Europas vergleichen. Der Seeweg ist im europäischen Fall kürzer und Resettlement-Programme nicht vorhanden. Außerdem nimmt es Europa mit der Genfer Flüchtlingskonvention offenbar genauer. Es kann natürlich darüber diskutiert werden, wann ein sicheres Drittland erreicht wird und, dass Flüchtlinge nicht das europäische Zielland nach Belieben auswählen können. Dass diese Menschen allerdings aus Krisengebieten kommen, in denen ihr Leib und Leben bedroht wird, steht außer Frage. Aus dem Beispiel Australiens einen positiven Aspekt hervor zu streichen - so wie es unser Außenminister gestern in der ZiB2 versucht hat - ist, als würde jemand versuchen, die Vorteile einer Pandemie mit sinkenden Bevölkerungszahlen zu rechtfertigen.
Fazit: Ein unfertiger Jurist!
Hätte unser Außenminister sein Studium der Rechtswissenschaft erfolgreich beendet, wüsste er, dass eine Maßnahme nach dem australischen Vorbild gegen geltende Rechtsvorschriften verstößt. Auch die Entwicklung und Ausgestaltung der Menschenrechte sollte eigentlich geläufig sein. Blamagen dieser Art würden Österreich erspart bleiben. Auch für den Vorschlag, die Insel Lesbos zum Internierungslager zu erklären, erntete Sebastian Kurz nicht gerade Reaktionen der Freude. Der Bürgermeister von Lesbos möchte ihm - wörtliches Zitat - in den Hintern treten. Vielleicht führt der Tritt in den Hintern dazu, den Weg vom Außenministerium in den Hörsaal der juristischen Fakultät zu finden. Denn dieser Vorschlag lässt nichts an fehlender Reflexion missen und ist eines Landes, das seine eigene Erfahrung mit Internierungslager hat, nicht würdig …
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