Am Dienstag wurde der 13. Bundeskanzler der zweiten Republik von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt, Tags darauf seine neue Regierungsmannschaft. Und am Sonntag wird ein neuer Bundespräsident von den österreichischen Wähler/-innen auserkoren. Oft werden Richtungswahlen von Wahlkampfleiter/-innen inszeniert, um eine höhere Wahlbeteiligung zu generieren. Doch dieses Mal stimmt es. Es handelt sich um eine Richtungswahl, um eine Zäsur in der zweiten Republik.
Völlig neue Konstellation!
Zum ersten Mal wird der Bundespräsident nicht aus den Reihen der ehemaligen Großparteien SPÖ oder ÖVP kommen. Zum ersten Mal ist die Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung so groß, dass zwei Kandidaten, die nicht zum klassischen Politestablishments gehören, in die Stichwahl kamen. Doch ist damit die vielzitierte Wende vollzogen? Noch nicht! Im ersten Wahlgang ging es darum, das bestehende Establishment abzuwählen und dem politischen Protest eine Stimme zu verleihen. Nun geht es darum, einen passenden Kandidaten zu finden. Ein Kandidat, der nicht von Allmachtsfantasien träumt und genau das macht, was wir als Österreicher/-innen von ihm erwarten: Das Land nach außen zu vertreten, nach innen verbindend zu wirken und manchmal mahnende Worte zu finden.
Aufgaben eines Bundespräsidenten?
Viel wichtiger ist die Frage, was NICHT in seinen Kompetenzbereich gehört: die Innenpolitik!! Ein Präsident schreibt der Regierung kein Programm vor. Ein Präsident entlässt nicht wahllos Bundesregierungen. Ein Bundespräsident mischt sich nicht in Detailfragen der Innenpolitik ein und er vertritt Österreich auch nicht im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs (Anm. d. Red.: Thomas Klestil und Viktor Klima haben das bereits ausjudiziert). Er wird von anderen Staaten eingeladen, mit Wirtschaftsdelegationen Länder zu bereisen und hier Anreize für die heimische Wirtschaft zu setzen. Das gilt natürlich nur, wenn er tatsächlich eingeladen wird. Ob der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer diesem Anforderungsprofil gerecht würde, kann stark bezweifelt werden.
„Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist!“ Allein dieser Satz Hofers erzeugt eine gewaltige Besorgnis bei mir. Natürlich werden die Sachen nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht werden. Doch jemand, der mit dieser Rhetorik spielt, halte ich für wenig tauglich, Österreichs Ansehen international zu heben. Für die Tagespolitik ist sowieso die Bundesregierung zuständig. Übrigens steht es dem Bundespräsidenten frei, irgendjemanden mit der Bildung einer Bundesregierung zu beauftragen. Antidemokratisch oder gar faschistisch ist das keinesfalls. Ob eine Regierung anschließend Mehrheiten im Nationalrat findet, steht sowieso auf einem anderen Blatt Papier und daraus ergibt sich auch, welche Regierung angelobt wird (Anm. d. Red.: Thomas Klestil gelobte im Jahr 2000 auch eine Regierung an, deren Bundeskanzler er nicht beauftragt hat, selbige zu bilden).
Niveau auf Tauchstation?
Dass Niveau keine Handcreme ist, sollte auch einem Kandidaten für das höchste Amt im Staate klar sein. Die viel diskutierte Debatte zwischen den beiden Protagonisten auf ATV war ein Tiefpunkt politischen Niveaus. Ich persönlich finde es schade, dass Alexander Van der Bellen hier „mitmachte“. Aber das Niveau wurde schon von Norbert Hofer bestimmt. Sein Gegenüber aufzufordern, sich lieber mit der Wasserflasche zu unterhalten, entspricht dem Niveau selbiger. Ein berühmter Fussballtrainer sagte einmal: „Spieler sind müde wie Flasche leer.“ (Anm. der Red.: Giovanni Trappatoni bei seiner Abschiedspressekonferenz in Bayern). An eine politische Flasche wurde ich tatsächlich erinnert. Dieses Duell sorgte europaweit für so viel Aufsehen, dass sich beispielsweise deutsche Medien auf Norbert Hofer aufgrund seiner strittigen Aussagen eingeschossen haben. Und so jemand möchte uns vertreten? Dann zöge ich es vor, international nicht vertreten zu werden.
Die Wahlurne entscheidet, also geht wählen!
Am kommenden Sonntag entscheidet Österreich, wer der neue Bundespräsident wird. Ich kann nur hoffen, dass viele Menschen zur Wahl gehen. Der Bildungsauftrag enthält auch das staatsbürgerliche Bewusstsein. Es hätte einen fahlen Beigeschmack, wenn die Nichtwähler/-innen diese Wahl entscheiden würden. Für die Tagespolitik ist diese Wahl zweitrangig. Für die Stimmung in diesem Land aber mehr als entscheidend. Wird jemand Bundespräsident, dessen Partei gegen Menschen hetzt? Oder wird jemand Bundespräsident, der vielleicht zweimal überlegt, bevor etwas gesagt wird. Übrigens ist es ein gutes Zeichen, wenn jemand länger nachdenkt, bevor er etwas sagt! Dieser Wesenszug stünde vielen Menschen gut - besonders Politiker/-innen. Ich hoffe nicht, dass ich morgen Abend das Bedürfnis verspüre, mich in Psychotherapie zu begeben. Ich hoffe nicht, dass ich mich ab Montag wieder einmal im Ausland dafür entschuldigen darf, Österreicher zu sein, weil uns jemand vertritt, dessen menschliche Haltung aus humanitärer Sicht angezweifelt werden kann …
Nächster Artikel: e-Learning! Eingeschworene Gemeinde?