Als 13. Bundeskanzler der zweiten Republik wurde Christian Kern (SPÖ) gestern von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt. In der Pressekonferenz zu seinem Amtsantritt wurde der neue Bundeskanzler deutlich - teils überdeutlich. Ein neuer politischer Stil muss her. Projekte sollen bis 2018 für und in Österreich umgesetzt und eine gesellschaftliche Vision für 2025 entwickelt werden. Menschliche Grundhaltungen und Prinzipien sollen wichtiger als der Machterhalt sein. Das Signal zum Aufbruch soll durch sein neues Regierungsteam gegeben werden.
Das politische Klima als Motivation!
Was bewegt den Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) dazu, politische Verantwortung zu übernehmen und gestalterisch tätig zu werden? Wie große Teile der Bevölkerung war er von der Arbeit der Regierung enttäuscht und hielt mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg zurück. Die Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit so mancher politischer Akteure reichte ihm. Auch kritisierte er ganz offen die Haltung seiner eigenen Partei, dem Koalitionspartner keinen Erfolg zu vergönnen. Man hat sich hinter einer abgedroschenen Rhetorik versteckt. Dieser Stil muss beendet werden, bevor die ehemals großen Parteien völlig von der Bildfläche verschwinden und das vermutlich zurecht. Persönlich muss Christian Kern bereits jetzt die Eigeninitiative zur politischen Veränderung hoch angerechnet werden. Denn wie so manche Personen des öffentlichen Lebens hätte er in seinem relativ gut bezahlten Job bleiben und dafür mit rhetorischen Stilblüten glänzen können.
Eine Offenheit, die Tatendrang signalisiert!
Was auch positiv auffiel, war die Offenheit, über manche Themen zu sprechen. Zuerst wurden die eigene Partei und auch sein Vorgänger relativ offen kritisiert. Er machte keinen Hehl daraus, dass Faymanns Haltungen zu politischen Gegner/-innen, zum Koalitionspartner und zu gesellschaftspolitischen Themen äußerst variabel gestaltet waren. Politische Prinzipien sind immer wichtiger als der pure Machterhalt. Doch wir nahmen eine Politik wahr, die auf Verwaltung der Perspektivenlosigkeit und Machterhalt zugeschnitten war. Veränderungen oder gar Verbesserungen blieben keine im Gedächtnis. Die SPÖ war wie eine Ziegenherde ohne Hirte und die Regierung wie ein Schiff ohne Kapitän. Dieser muss sich auch unangenehmen Situationen stellen! Zur Weigerung Werner Faymanns, Untersuchungsausschüsse zu besuchen brauchen wir gar nicht einzugehen. Es reicht herauszustreichen, dass dieser die ZiB2 gemieden hat wie der Teufel das Weihwasser. Auch hier setzte Christian Kern ein überdeutliches Signal: Sein erstes Fernsehinterview gab er in der ZiB2 bei Armin Wolf.
Neues Team steht für Veränderung?
Abgesehen von Alois Stöger, dessen politisches Handwerk offenbar unverzichtbar ist, hat von der Angelobung 2013 kein/e SPÖ-Minister/-in überlebt. Besonders interessant aus Sicht der Innovationsschule dürfte die Neubesetzung des Bildungsministeriums sein, das nur noch Bildungsagenden zu verantworten hat. Ich konnte nie den Eindruck abschütteln, dass Gabriele Heinisch-Hosek unter einer Überforderung aufgrund einer politisch gespaltenen Persönlichkeit litt. Sie sollte sich um Bildungs- und Frauenthemen gleichermaßen kümmern, was nicht gerade einfach war. Neben der Tatsache, dass Christian Kern vier Ministerien personell neu besetzt hat, stellt sich sowieso die Frage, ob eine Legislaturperiode von fünf Jahren für eine personelle Besetzung nicht zu lange ist.
Letzte Chance!!
Die Regierung hat nun zum letzten Mal die Chance, tatsächlich zu regieren. Taktische Spiele müssen hintangestellt werden. Der Staub muss abgeklopft und in die Hände gespuckt werden. Zwei Jahre haben die Protagonist/-innen noch Zeit, die Stimmung in diesem Land positiv zu verändern. Zwei Jahre sind es, bis zum vermeintlichen Wahlerfolg der FPÖ, die natürlich bereits jetzt auf Neuwahlen pocht, ohne der neuen Regierung überhaupt eine Chance zu geben. Aber auch die FPÖ kann die nächsten zwei Jahre nutzen, um ihre Rhetorik zu überdenken. Der neue Chef der SPÖ schließt die FPÖ a priori nicht aus, sondern möchte einen Punktekatalog festlegen, der bei einer möglichen Regierungszusammenarbeit nach 2018 für alle Partner/-innen gelten soll. Übersetzt bedeutet das: „FPÖ, wir grenzen niemanden aus, aber benehmt euch. Mit der Hetze muss Schluss sein. Punkt! Denn sonst grenzt ihr euch selbst aus!“
Vielleicht wird diese letzte Chance tatsächlich genützt. Politische Verwalter/-innen wichen Personen, die verändern wollen. Die frage bleibt nur, möchte das die ÖVP auch?
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