Diese Frage spielt am Rande des Bundespräsidentschaftswahlkampfs eine Rolle. Geht es um TTIP, Staatsverträge im Allgemeinen oder umstrittene Gesetze - schnell wird der Ruf nach mehr direkter Demokratie laut. Populär ist diese Forderung jedenfalls und Stimmen bei Wähler/-innen bringt sie auch. Doch die Konsequenzen für unser derzeitiges System werden nie beleuchtet beziehungsweise wird das derzeitige System nicht richtig verstanden …
Die repräsentative Demokratie
Die Wähler/-innen bestimmen alle fünf Jahre, wer sie im Parlament bei den politischen Entscheidungen vertritt. Idealerweise sind die gewählten Abgeordneten ihren Wähler/-innen verpflichtet und gestalten ihr Stimmverhalten nach den Interessen der Menschen, die sie vertreten. Natürlich kann darüber gestritten werden, ob der Klubzwang bei Abstimmungen im Nationalrat dieses Prinzip nicht untergräbt. Also findet die demokratische Vorentscheidung eigentlich bei den Nationalratswahlen statt. Die demokratischen Wahlen können nicht übergangen werden, auch wenn die FPÖ dies Alexander Van der Bellen im Wahlkampf vorwirft. Das Parlament hat zwingend jene Zusammensetzung, die wir wollen. Doch die Wahlbeteiligung sinkt stetig.
Die Regierungsbildung ist ein anderes Thema. Für Gesetzesvorlagen einer Regierung müssen Mehrheiten organisiert und gefunden werden. Mehrheiten von mindestens 50 Prozent - bei Gesetzen im Verfassungsrang sogar zwei Drittel. Die künftige Bundesregierung legt dem Präsidenten in aller Regel seine Vorhaben vor und legt dar, wie die Mehrheiten beschaffen werden. Vertraut der Bundespräsident darauf, dass Mehrheiten für ein Programm gefunden werden, wird die Regierung angelobt.
Die Verantwortung der Politiker/-innen:
Der Schrei nach direkter Demokratie wird immer dann laut, wenn Gesetze einerseits nicht mehr nachvollziehbar oder andererseits am Willen der Wähler/-innen vorbeigehen. Es gibt allerdings Mechanismen, welche die gewählten Volksvertreter/-innen aus ihrer Verantwortung entlassen und genau hier liegt das Problem. Der Klubzwang bei parlamentarischen Entscheidungen, Grundsatzpositionen des Parteivorstands und Beschlüsse des Parlamentsklub führen oftmals dazu, dass sich die Abgeordneten nicht mehr mit der Thematik befassen müssen und nur noch vermittelt bekommen, wie sie abzustimmen hätten. Genau an dieser Stelle entfremdet sich die Politik von den Bürger/-innen und die Politiker/-innen werden aus der Verantwortung entlassen, die ihnen während der letzten Wahlen übertragen wurde.
Was spricht gegen direkte Demokratie?
Nichts! Man könnte argumentieren, dass die Volksvertretung nur zu jenen Themen stattfinden darf, die zum Zeitpunkt der Wahlen aktuell waren. Den Bürger/-innen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiver in das politische Geschehen einbringen zu können. Oft werden Themen aktuell, die zum Zeitpunkt der letzten Wahlen nicht aktuell waren. Hier soll reagiert werden können, wenn es dafür eine breite Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Wie diese Beteiligungen aussehen, dafür gibt es Expert/-innen - aber eine Beteiligung muss stattfinden.
„Alle Macht geht vom Volk aus!“
Es heißt ja nicht: „Alle Macht geht dem Volk aus!“ Idealerweise sind bestimmte Themen zum Zeitpunkt der aktuellen Wahlen schlagend. Positionen hierzu werden abgesteckt und unsere Vertreter/-innen dahingehend gewählt. Bei neuen Thematiken gilt das streng genommen nicht. Der Klubzwang und Positionen der Parteien sind hier tagespolitisch weniger interessant. Werden allerdings Volksbeteiligungen nur als ein Instrument der Parteien verstanden, mit für sie „günstigen“ Themen in der Bevölkerung Stimmung zu machen, geht die Macht tatsächlich dem Volk aus. Vielleicht sollte aktiv darüber nachgedacht werden, den Klubzwang bei parlamentarischen Entscheidungen abzuschaffen. Die Distanz zwischen den Wähler/-innen und ihren Vertreter/-innen würde somit reduziert werden. Die Entscheidungen, die wir bei Wahlen treffen, wären somit relevanter …
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