Im Bildungssystem gibt es aus pädagogischer Sicht kaum ein Thema, das mehr polarisiert. Das Spiele-basierte Lernen! Manche sehen in ihm die Zukunft moderner Pädagogik, andere wiederum empfinden es nur als Zeitverschwendung. Will man fundiert darauf antworten, ob spielen qualitativ zum Lernerfolg beitragen kann, gibt es ein Problem. Es gibt hierfür keine wirklich verwertbaren statistischen Daten, die belegen, dass in manchen Bereichen Spiele jedenfalls effektiver sind. Dennoch gibt es viele Gründe, warum wir Spiele in die moderne Pädagogik einfließen lassen sollten.
1. Es funktioniert altersunabhängig:
Spiele funktionieren in jedem Alter. Sei es bei der Verhaltenstherapie traumatisierter Patient/-innen, sozialen Lernspielen im Kindergarten, Team-Building im Beruf oder zur Aufrechterhaltung persönlicher Interessen. Auch wir Erwachsene nehmen gerne die Rolle spielender Kinder ein. Die aktuellsten Features unserer Smartphones sind im Wesentlichen Spielereien. Liebend gerne verbringen wir spielend Zeit mit unseren Kindern, Enkelkindern oder Verwandten. Über Männer sagt man, dass sie nie erwachsen, nur die Spielzeuge teurer werden. Auch Instrumente zu spielen, ist eine Form des Spiele-basierten Lernens. Ich lerne, während ich spiele - eine neue Sprache (Notenschrift), Rhythmus und Koordination.
2. Unbewusste Kompetenz versus bewusster Inkompetenz:
Was meine ich mit dieser Überschrift? Bisher wird sehr oft angenommen, dass wir uns zum Empfinden eines Lernerfolgs zu Beginn unserer Inkompetenz bewusst werden müssen. Es beginnt mit der unbewussten Inkompetenz, zumal uns noch nicht klar ist, dass wir etwas nicht können und daher eine Veränderung anstreben sollten. Wird dieser Zustand erkannt und ein Sollzustand definiert, erleben wir die bewusste Inkompetenz. Wir können es noch nicht umsetzen. Der dritte Schritt wäre die bewusste Kompetenz. Wir können Veränderungen umsetzen, müssen aber noch zu oft daran denken. Selbstverständlich läuft es noch nicht ab. Im Schulsystem findet Assessment genau zu diesem Zeitpunkt statt.
Schularbeiten oder Tests überprüfen die bewusste Kompetenz, die noch nicht automatisiert wurde. Wird eine Stoff über längere Zeit angewandt (z.B. im Berufsleben), geht die erlernte Kompetenz in ein normales Verhalten über. Wir sprechen von der unbewussten Kompetenz. Ein Musiker, der sein Stück bestens vorbereitet, der IT-Techniker, der bereits bestimmte Abläufe automatisiert hat oder soziales Verhalten in der Gruppe sind anschauliche Beispiele unbewusster Kompetenz. Beim Lernen mit Spielen werden oft die Zwischenschritte übersprungen und der Erfolg ist dennoch vorhanden.
3. Problematisches Assessment:
Weil Schritt zwei und drei im zuvor geschilderten Kompetenzverlauf bei Spielen ausgelassen werden können, fällt eine Evaluierung schwerer. Die Motivation, ein Spiel zu beginnen, ist nicht, sich der Inkompetenz bewusst zu werden und Gegenstrategien dafür zu entwickeln. Wenn aber das Endresultat die unbewusste Kompetenz ist, wo liegt das Problem? Bei der BildungOnline 2016 haben wir Bienen-Robotern mit einfachen Knöpfen vorab einen Weg einprogrammieren müssen (siehe Bild). Auf spielerische Weise wurden hier Kompetenzen des räumlichen Denkens und einfache Programmierungen gelernt. Nachdem dieses konkrete Spiel mit mehreren Teilnehmer/-innen gleichzeitig stattfindet, wird sogar die soziale Interaktion geschult. Aber wie evaluiert eine Lehrkraft diesen Prozess? Durch Aufgaben, die erfüllt werden müssen?
Fazit:
Liegt das Problem der Evaluierung vielleicht im Assessment selbst? Auch im täglichen Schulbetrieb stellen wir uns dieser Herausforderung. Geprüft werden stets gelernte Inhalte, zumal diese leicht abzufragen sind, allerdings weniger die erlernten Kompetenzen. Fiele uns endlich ein schlüssiges Muster zur Testung der im Schulbetrieb erlernten Kompetenzen ein, würden Spiele leichter einen Weg in die Unterrichtspraxis finden. Gerne wird vom Kompetenz-basierten Lernen gesprochen, aber vielen dürfte dieser Begriff nach wie vor kryptisch vorkommen.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit sollten die erlernten Kompetenzen stehen, nicht Inhalte, die in einigen Jahren sowieso überholt sind. Doch es müssen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um ein Assessment zu entwickeln, das a priori Kompetenzen, nicht Inhalte prüft. Vermutlich müssen diese Entwicklungen aber von der jeweiligen Lehrkraft angestoßen werden - auf das politische System warten wir vermutlich zu lange. Danach können Spiele endlich effektiv evaluiert werden und Einzug in die Unterrichtspraxis halten. Diese Veränderung können und sollten wir daher umsetzen …
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