In den letzten Monaten geisterte immer wieder ein sprichwörtliches Monster durch die Tages- und Wirtschaftspolitik: „TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership“ Das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union sorgt für Verwirrung und führt zu berechtigten Ängsten - insbesondere im Sinne der Biodiversität und der ökologischen Landwirtschaft. Aber auch juristisch und demokratiepolitisch gibt es massive Bedenken. Aber Warum?
1. Geheime Verhandlungen:
Dieser Punkt widerstrebt nicht nur mir als überzeugter Demokrat, sondern widerspricht auch europäischen Grundsätzen. Die Bürger/-innen Europas haben sowieso das Gefühl, dass der Begriff der Demokratie in der Europäischen Union als „Working Progress“ verstanden wird und noch nicht jene Standards erfüllt sind, die es bereits nationalstaatlich gibt. Wenn bei diesen Verhandlungen - und das dürfte der Fall sein - eine Hand von EU-Abgeordneten und EU-Abgesandten dutzenden Lobbyisten aus den USA gegenübersitzt, so ist eine Überforderung die Folge. Die Tatsache, dass diese Verhandlungen auch noch geheim sind und der Öffentlichkeit erst ein Ergebnis präsentiert werden soll, macht stutzig (um es vorsichtig zu formulieren).
2. Paralleljustiz:
Dieser Punkt ist aus meiner Sicht der größte Unterschied zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Rechtsverständnis. In Europa ist es üblich, dass Staaten Gesetze erlassen, die sich für manche Branchen negativ im Absatz niederschlagen. Ungarn hat ein verändertes Bankenrecht für ausländische Banken, Österreich ein flächendeckendes Gentechnikverbot und Norwegen (kein EU-Mitglied) will im Jahr 2016 keine konventionell betriebenen Autos mehr zulassen. Verbote dieser Art dämpfen selbstverständlich die Gewinnerwartungen ausländischer Konzerne. US-Konzerne wollen nun die Möglichkeit haben, Staaten zu verklagen (was an sich noch vertretbar wäre), aber für die Abwicklung dieser Verfahren separierte Schiedsgerichte installieren. Diese würden parallel zum nationalstaatlichen Recht operieren und die staatliche Justiz untergraben. Auch im Sinne der Subsidiarität kontraproduktiv.
3. Untergrabung europäischer Standards?
Dieser Punkt ist arbeitsrechtlich und im Sinne des Konsumentenschutzes bedenklich. Sollte ein freier Handel zwischen den USA und der EU durch TTIP ermöglicht werden, so könnten US-amerikanische Konzerne mit US-amerikanischen Arbeiterrechten in Europa operieren. Nachdem diese weit unter den europäischen Standards liegen, wäre dies eine Verschlimmerung der Situation für Arbeitnehmer/-innen. Auch, dass wir Lebensmittel einführen würden, die in Europa verboten sind, wäre bedenklich. In Chlor gebadete Hühner, hormonverändertes Fleisch und Gentechnik-manipuliertes Obst sind nur ein paar Möglichkeiten.
Dass Freihandelsabkommen aus wirtschaftlicher Sicht grundsätzlich zu befürworten sind, ist unbestritten, aber eben nicht um jeden Preis. Dass sich die deutsche Regierung aufgrund des starken Exports der deutschen Autoindustrie für TTIP stark macht, ist nachvollziehbar. Aber auch hier gebe ich zu bedenken, dass namhafte Autohersteller Fabriken in den USA noch in den 1990er-Jahren bauen mussten, zumal ein Absatz auf dem amerikanischen Markt sonst gar nicht möglich gewesen wäre. So ist beispielsweise das BMW-Werk in North Carolina im Jahr 2018 überhaupt das größte im Konzern. Also diese Logik hinkt. Wünschenswert wäre ein Freihandelsabkommen unter Berücksichtigung der örtlichen Gesetze - in den USA wie in Europa. Es wäre ja absurd, in den USA nach geltendem europäischen Recht zu klagen. Genauso ist es umgekehrt und dieser Aspekt muss bei den Verhandlungen vorausgesetzt werden. Denn sonst wäre es kein Freihandel, sondern einseitig diktierte Handelsbeziehungen, die vielleicht mit Lateinamerika üblich aber mit Europa unmöglich sind …
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