Wir sind in der Schule, in einer durchschnittlichen Klasse mit knapp 25 SchülerInnen. Die Lehrkraft versucht gemäß ihrer Aufgaben, das maximale Potenzial jeder Schülerin und jedes Schülers zu entfalten. Doch manchmal gelingt es einfach nicht. Manchmal aufgrund der äußeren Umstände, manchmal weil sich die Schülerin oder der Schüler dagegen verwehrt und nicht motiviert werden kann. In diesem Fall wird die Schülerin oder der Schüler durchschnittlich bewertet, nicht in den Mittelpunkt gestellt und schon gar nicht werden Pressekonferenzen abgehalten, wie sie/er das Potenzial nicht nützen kann.
Schauplatzwechsel: Gegenwärtig gibt es eine Reihe elektronischer Hilfsmittel und digitaler Medien. Dass diese pädagogisch sinnvoll und erfolgreich in den Unterricht integriert werden sollen, ist schon seit geraumer Zeit ein unumstrittenes Ziel unter den PädagogInnen. Das Potenzial ist gewaltig. Mit dem interaktiven Schulbuch für Mathematik hat die iKON-Verlags GmbH aufgezeigt, wohin die Reise gehen könnte. Aber was macht das offizielle Österreich? Die Ministerinnen für Familie und für Bildung sind davon überzeugt, dass der kritische und reflektierte Umgang mit Medien durch sogenannte eBooks, die ab dem kommenden Schuljahr in der Oberstufe eingesetzt werden, geschult wird. Diese sogenannten eBooks sind im Wesentlichen digitale Ausführungen der aktuellen Schulbücher und immer nur als ergänzendes Material zu verstehen. Interaktiv sind diese wenig. Eine elektronische Ausgabe des im Schulbuch verfassten Textes mit keinen interaktiven Elementen und bestenfalls eingebetteten Links, erinnert an die eBooks, die wir auf unseren ebook-Lesegeräten - wie dem Kindle - bereits lesen. Persönlich frage ich mich, wie der kritische Umgang mit digitalen Medien geschult werden soll, wenn der Inhalt unverändert ist. Ist das nicht wie ein normales Buch in neuem Gewand? Bücher sterben nicht aus und werden noch sehr lange Teil unseres Alltags bleiben. Aber wenn es um die Interaktivität geht, brauche ich veränderbare Inhalte, ein dynamisches Layout, einen personalisierten Zugang für jede Schülerin und jeden Schüler. Danach wird das interaktive Potenzial genutzt.
So weit sind wir offenbar noch nicht: Es wird eine Pressekonferenz veranstaltet und eine offizielle Mitteilung verfasst, in dem das eBook als revolutionär dargestellt wird. Es können virtuelle Bücherregale erstellt werden, Textpassagen markiert und auf diversen elektronischen Medien gelesen werden. Bereits zu meiner Studienzeit - und die ist schon ein paar Jahre her - habe ich eBooks gelesen. Neu sind sie nicht. Auf meinem Rechner kann ich jeden belieben Text in ein lesbares Format konvertieren - meistens ePub - und somit auf dem eBook-Reader genießen. Technisch ist dies keine Herausforderung. Eine Herausforderung wäre es gewesen, die Geräte der SchülerInnen so zu nützen, dass Animationen, interaktive Übungen, Bewertungen, Videos und Gruppenarbeiten in ein Buch integriert werden. Das wäre das Potenzial. Genützt wurde dieses nicht und dennoch wird es als Erfolg bezeichnet, wenn starre Texte in ein neues Medium gepresst werden. In der Schule würde diese Maßnahme durchschnittlich bewertet werden. Die SchülerInnen Familien- und Bildungsministerium haben ihre Möglichkeiten nicht genützt. Gibt es andere SchülerInnen in der Klasse, die erfolgreicher waren? Ja! Das interaktive Mathematik-Buch, Apple, learningapps.com und viele andere. Wenn schon der Leistungsgedanke für unser Schulsystem so wichtig ist, dann bewerten wir die Leistung! Und diese ist bestenfalls durchschnittlich. Schade, denn das Potenzial wäre vorhanden ...