Im zweiten Teil des großen Interviews mit der Innovationsschule bespricht der für Innovationen bekannte Lehrer Hermann Morgenbesser, welches Beschaffungsmodell für die Geräte der SchülerInnen sozial verträglich ist, wie die technische Integration der Geräte und SchülerInnen funktioniert, Eltern begeistert werden können und wie die Fortbildung der LehrerInnen vollzogen wird.
Axel Zahlut:
Gibt es Regulative an eurer Schule in Bezug auf die Devices?
Hermann Morgenbesser:
Derzeit sind es die beiden Projektklassen. Das heißt derzeit wandern die Tablets noch. Eines der „Tabletwagerl“ ist elektronisch zu reservieren. Die Lehrkraft kann daher das gesamte Schuljahr sicher mit diesen Geräten planen. Der zweite Zugang: der freie Zugang mit den Samsung-Wägen, mit allen Risiken. Die sind spontan verfügbar, aber es besteht die Möglichkeit, dass sie genau an diesem Tag zu dieser Uhrzeit blockiert sind. Sonst gibt es in meiner Schule nur W-LAN und die Regel, dass es verfügbar sein muss. Neu in diesem Jahr ist auch, dass es ein Gerät im vorderen Teil der Klasse gibt, das nicht nur für die Lehrkraft, sondern auch für die SchülerInnen zur Verfügung stehen muss. Sei es zur Gestaltung von eLearning-Aktivitäten, Präsentationen oder Zugriff über das Passwort des/r LehrerIn. Hier sind wir bei einer geführten Form des Unterrichts, zumal eine Person das Geschehen steuert, egal ob LehrerIn oder SchülerIn.
AZ:
Welches Beschaffungsmodell ist für BYOD aus deiner Sicht sinnvoll? Egal welches, oder Mindestanforderungen, oder bestimmtes Gerät?
HM:
Wir haben CampusLan in Klosterneuburg. Das heißt jede/r SchülerIn kann die entsprechende Lizenz auf dem Gerät freischalten und ist somit voll in das Schulsystem integriert. Dieses Gerät hat dann eine eigene Boot-Oberfläche, die sich auch für Prüfungen eignet, weil sie ein mehrfaches Anmelden der SchülerInnen verhindert. Das wäre ein abgeschlossener pädagogischer Rahmen.
Das zweite Modell ist reine Partizipation: Also ein offenes W-LAN, nicht Passwort-geschützt, das aber nur zur Recherche und nich für Prüfungen sinnvoll ist. Das findet bei uns permanent statt. wir haben für 1.500 Personen eine garantierte Bandbreite von 30 Mbit pro Person.
Für das Assessment ist meiner Ansicht nach nur ersteres Modell möglich, Assessment wurde in den Projekten des European Schoolnet bisher ausgelassen. Hier wäre CampusLan eine Variante. Die Prüfung findet auf einer eigenen, Browser-basierten Oberfläche statt, mit tagesaktuellen Passwörtern und wird außerhalb der Klasse auf die Prüfungssituation zugegriffen, schließt das System und es wird danach entschieden, wie verfahren wird. Jedenfalls findet der Schluss der Prüfung und die Abgabe per Knopfdruck statt, was eingedenk der Zentralmatura sinnvoll erscheint.
AZ:
Dann lege ich mich einmal weit aus dem Fenster: Vermutlich ist eine Zentralmatura nur dann sinnvoll, wenn ein eben beschriebenes Assessment bereits zuvor stattgefunden hat, oder?
HM:
Ich sag es so: Wenn wir die Modalität über ein System wie CampusLan über die Jahre zuvor implementiert haben, ist die Ausgabe der Zentralmatura keine Überraschung und Herausforderung mehr und man kann sich auf die Fragestellungen selbst konzentrieren. Die Prüfungsinstanzen sind dann klar codiert und zugeordnet.
"Das Prinzip der Fairness ist hier erfüllt,
solange der Prüfungsprozess selbst fair ist ..."
AZ:
Wenn alles so neutral und gesichert abläuft, wäre es tatsächlich fairer, was ein Gedanke z.B. der Zentralmatura ist …
HM:
Ja! Das Prinzip der Fairness ist hier erfüllt, solange der Prüfungsprozess selbst fair ist. Wir arbeiten an der Implementierung, wir arbeiten zwar mit CampusLan lassen aber noch nicht das Assessment darüber laufen. Aber es kann hier funktionieren.
AZ:
Eine andere Frage: Wie bringe ich Eltern bei derartigen Initiativen an Board, zumal diese noch mit „alter“ Pädagogik sozialisiert wurden?
HM:
Hier wird es über die Kombination laufen müssen. Wie wir das mit dem Mathematikbuch gemacht haben: ein digitaler Kern, aber es wird noch händisch eingetragen, was gemacht wurde, damit für die Eltern der pädagogische Mehrwert sichtbar wird. So kann gezeigt werden, dass mit diesen Geräten nicht gespielt wird und tatsächlich Themenfelder abgearbeitet werden. Die Reflexion der SchülerInnen wird sichtbar und kann mit konventionellen Büchern verglichen werden. Das ist eine Hilfestellung für die „analogen“ Eltern. Am Ende des Lernprozesses steht dann vielleicht ein Buch, das nur noch digital verfügbar ist.
AZ:
Aber ist dieser Prozess nicht anachronistisch? Im Arbeitsleben verlangt man ja auch nicht die Bestätigung, dass eine eMail effektiver als die Postbrief ist …
HM:
Ja, das ist der Lernprozess, der vom pädagogischen Personal geleitet werden muss. Ich habe auch eine technikfeindliche Schule skizziert. In einer technik-freundlichen Schule, Tourismusschulen, Handelsakademien, usw. werden sich diese Fragen nicht stellen. In der Sekundarstufe I wird wohl die Rückkopplung skizziert und die Policy angepasst werden müssen. Geleitet wird dieser Prozess hoffentlich von der Direktion und nicht vom Elternverein.
AZ:
Hier können auch Fragen der Finanzierung behandelt werden …
HM:
Da gibt es mehrere Varianten, wie z.B. ein Leasing-Modell von CampusLan im Bereich von 100 bis 300 Euro Jährlich über drei, vier Jahre. Das heißt, Preis des Gerätes plus Sonderleistungen, wie zum Beispiel Wartung und Installation der Oberfläche. Nach der Laufzeit wird der Restwert bestimmt und die Geräte werden im Sinne der Nachhaltigkeit aufgefrischt und in der nächsten Schule verwendet. Also diese Fragen sind ziemlich beantwortet. Viel schwieriger ist es, alle LehrerInnen zu überzeugen, dass das Ganze einen tatsächlichen Mehrwert hat. Aber auch dieses Phänomen ist bei uns nur vorübergehend, nachdem der Direktor (Anm. d. Red. Mag. Robert Donner) von diesen Devices und der CampusLan-Lösung überzeugt ist und jede Lehrkraft ins elektronische Klassenbuch und ins Administrations-System eintragen muss. Ein Appetizer für eLearning sozusagen.
"Manche LehrerInnen kommen noch immer
mit DVDs. Das Muss berücksichtigt werden."
AZ:
Mit welcher Begründung wird von manchen LehrerInnen nicht elektronisch eingetragen?
HM:
Die Geräte wären zu langsam. Aber gerade das Zentral-Device der Klasse, das Beamer und co. steuert, funktioniert schnell und ohne Kabel, was bedeutet, dass die Verbindung nicht kaputt gehen kann. Und man braucht externe Laufwerke, die ins System integriert werden, nachdem manche LehrerInnen noch immer mit DVDs kommen. So etwas muss berücksichtigt werden.
AZ:
Was verwendest du persönlich?
HM:
Ich persönlich verwende für meinen Unterricht die One Drive Lösung! Alle SchülerInnen greifen auf mein One Drive mit den bekannten Zugangsdaten zu und geben hier
ab, bearbeiten Dokumente und bekommen von mir Feedback. Manchmal erlebe ich auch, dass das Hintergrundbild geändert wurde und weiß sofort, dass da gearbeitet wurde.
AZ:
Wie sieht konkret die Planung der Unterrichtsstunde aus?
HM:
Es gibt eine Jahresplanung, die genau vorschreibt, unter welchen Voraussetzungen was einzusetzen ist und spontan kann adaptiert werden. Mit der elektronischen Planung ist das ein Leichtes und dabei ist es übrigens egal, wie der Raum, wo gelehrt wird, aussieht.
AZ:
Oft wird das Argument gebracht, dass durch die Verwendung dieser Geräte viel an pädagogischer Interaktion verloren gehen könnte aber geht nicht im traditionellen Unterricht genauso viel verloren?
HM:
Ja. Ich steige mal kurz mit meinem Notebook ein. Alle meine SchülerInnen arbeiten in diesem vordefinierten Konto, im One Drive. Wir haben alle auf die selbe Oberfläche Zugriff und hier sehe ich die fertigen oder in Bearbeitung befindlichen Arbeiten und Dokumente mit entsprechendem Zeitstempel. Also ich weiß, was wann gemacht wurde. Da geht weniger verloren, als im traditionellen Unterricht. Und ich nehme alle Arbeiten elektronisch mit! Alle SchülerInnen steigen am Tablet automatisch über dieses Konto ein und ich habe damit alles automatisch.
AZ:
Nur zur Verdeutlichung: Es steigen alle über das gleiche Konto ein und haben damit einen offenen, transparenten Prozess und automatisch den entsprechenden Speicherort.
HM:
Genau! Und das Ganze ist auch noch eine gekapselte Oberfläche, die getrennt von meinen anderen Dateien und Programmen operiert. Das ganze hat Microsoft realisiert und bis zu 40 Anmeldungen sind möglich.
"... im Prinzip ist diese Technologie ein
Ersatz für die grüne Tafel, ... "
AZ:
Ähnliches gibt es ja auch von Apple mit der Education iCloud für eine Schule …
HM:
Ja und im Prinzip ist diese Technologie ein Ersatz für die grüne Tafel, vorausgesetzt, es haben alle synchron die gleiche Software. Das war meine letzte Schulwoche (zeigt auf das Notebook mit One Drive).
AZ:
Wie viele LehrerInnen sträuben sich dagegen?
HM:
Das kann ich nicht beurteilen. Von der Direktion ist der flächendeckende Einsatz gewünscht. Aber aktuell sind wir zumindest mit unseren eLearning-Initiativen projektorientiert unterwegs. Aber der Direktor (Anm. d. Red. Mag. Robert Donner) ist Willens, dass das in fünf Jahren kein Thema mehr ist.
AZ:
Wie sieht es mit der Wartung aus? Liegt die bei den SchülerInnen?
HM:
Bei der Radikalvariante warten die SchülerInnen die Geräte, außer CampusLan! Das wird gewartet. Die Eltern müssten bei einer neuen Tablet-/Notebook-Klasse unterschreiben, dass die Geräte entweder von uns bestellt und mit CampusLan bestückt werden oder von einer externen Firma (Anm. d. Red. Networks) für geeignet eingestuft werden.
AZ:
Und alle diese Geräte sind mit garantierten 30 Mbit pro Sekunde im Netz?
HM:
Ja. Der Vertrag kostet der Schule immerhin 700 Euro pro Monat, aber es funktioniert und Smartphones werden nicht gesperrt, sondern in der Priorität einfach hinten nachgereiht, damit das W-Lan nicht geringer getaktet wird und die anderen Devices sicher funktionieren. Unser System funktioniert so. Aber wir haben auch Motorola, das in Krankenhäusern und am Flughafen eingesetzt wird. Es zahlt sich aus, eine Netzwerkfirma an der Schule zu haben.
AZ:
Das heißt, das die Ersparnis durch die Anschaffung der Geräte durch die Eltern sowieso für die Erhaltung des Netzwerks benötigt wird?
HM:
Ja. Genau!
AZ:
Und die LehrerInnen-Fortbildung? Wie ist die gestaltet?
HM:
Die geschieht autonom!
"Englisch und Technik kann kein Hindernis sein.
Sons sind wir nicht in einer AHS mit Oberstufe. Bei
der Urlaubsplanung geht es auch!"
AZ:
Frei nach dem Motto: Wenn ihr es schafft, einen Urlaub im Netz zu buchen und da motiviert seid, ist weder Englisch noch die Technik ein Hindernis…
HM:
Unser Direktor (Anm. d. Red. Mag. Robert Donner) sagt auch, dass das kein Thema sein kann. Sonst sind wir nicht in einer AHS mit Oberstufe.
Mag. Hermann Morgenbesser ist IT-, Statistik und
Computerscience-Lehrer am BG/BRG Klosterneuburg
und IT-Koordinator und Kustos an dieser Schule.
Darüber hinaus ist er österreichs Botschafter für das
Future Classroom Lab in Brüssel und
Scientix Botschafter. Das BG/BRG Klosterneuburg
ist auch Teil des Tablet-Projekts
und setzt unter der Federführung von
Hermann Morgenbesser seit Jahren auf
neue Technologien.