52. "Bildung ist ..." 

Graduiertenmütze an Universität
CC Pixabay

… das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben.“ (Karl Kraus, Fackel 277/278 58). 

Aus der Sommerpause melde ich mich mit einem wertvollen Zitat zum Thema Bildung, das ich bereits vor längerer Zeit wahrgenommen habe, aber angesichts gegenwärtiger Entwicklungen als aktueller denn je einstufe. Wieder einmal richtet sich die Kritik an die Perspektivenlosigkeit der Gesellschaft, die wir als so fortschrittlich und humanistisch bezeichnen wollen. Fortschrittlich sind wir in Bezug auf die Werkzeuge, die wir täglich verwenden und die Fülle an Information, die uns ständig zur Verfügung steht, doch was wird daraus gemacht? 


Als humanistisch bezeichnen wir uns, wenn wir an hilfsbedürftige Menschen spenden, ihnen aber nicht den Raum zur Verfügung stellen, den sie eingedenk ihrer misslichen Lage benötigen. Wir bezeichnen uns als fortschrittlich und menschenfreundlich, wettern aber gegen hilfsbedürftige Menschen auf realpolitischer Ebene und stärken fremdenfeindlichen Gruppierungen den Rücken. Und damit nicht genug, fordern wir VolksvertreterInnen und andere Menschen auf, sich in Bewegung zu setzen, während wir tatenlos vor unseren TV-Geräten sitzen und ebendiese Menschen schimpfen, weil sich nichts bewegt. Danach schreien wir nach demokratischen Reformen und verlangen Führungskompetenz einer/s Volksvertreterin/Volksvertreters. Doch dass wir es sind, die sich bewegen müssen, wir es sind, die Fortschritt und Humanismus unter einen Hut bringen und wir es sind, die der Gesellschaft eine Perspektive geben müssten, dieser Gedanke liegt aus Gründen der Bequemlichkeit fern. 


 

Wenn wir also Bildung empfangen, liegt es an uns, diese weiterzugeben, diese zu leben und damit vielleicht den Eindruck zu erwecken, wir hätten sie. Ganz sicher ist Bildung nicht, Zuhause auf dem Sofa vor dem TV oder im Parlament am Redepult oder sonst wo mit dem Finger auf jene zu zeigen, die vergessen zu haben scheinen, jemals humanistische Bildung empfangen zu haben. Der Blick auf Umfrageergebnisse in Österreich stärkt diese Hypothese …