1.Autonomie, aber richtig!

Verfolgen wir die Diskussion um Reformen im Schulsystem, so scheint ein Wort als Allheilmittel verwendet zu werden: Schulautonomie! Im Allgemeinen wird darunter die Entscheidungsfreiheit des Schulstandortes über administrative Fragen und pädagogische Ausgestaltungen verstanden. Aber sollte Autonomie nicht ganzheitlich verstanden werden? Sollte sie auch die LehrerInnen und SchülerInnen erreichen, nicht nur die Administration? 

 

Jeder Mensch ist ein Individuum mit eigenen Stärken, Vorlieben und einem eigenen Lernrhythmus. Dennoch versucht das heutige Schulsystem eine gewisse Konformität zu erreichen und die gleichen Maßstäbe auf die gesamte Masse der SchülerInnen anzuwenden - die Zentralmatura ist hier nur die letzte Stufe. Was geschieht, wenn Autonomie ein Unterrichtsprinzip ist, wenn nicht nur die Autonomie sondern auch die Eigenverantwortung forciert wird und die eigenverantwortliche Selbstreflexion im Lehrkörper und bei den SchülerInnen das Ziel werden? Mir schwebt eine andere als die bisher übliche Struktur vor und die Tatsache, dass sie in einigen Schulen europaweit angewandt wird, gibt Hoffnung. 

Fangen wir bei der Unterrichtszeit an: Die Wissensvermittlung im 50 Minuten-Takt mit einer Pause von fünf Minuten zwischen den Schulstunden ist nicht zeitgemäß, geht an der Welt außerhalb der Schule vorbei und verursacht einen Zeitdruck bei LehrerInnen und SchülerInnen, der die Wissensvermittlung und das Wissenserlebnis trübt. Daher wäre eine flexiblere Zeitgestaltung in einem modernen Unterrichtssystem wünschenswert. Hier ist die Spanne der Möglichkeiten groß und reicht von einer Reduktion der Fächer pro Tag bis zum Prinzip des Unterrichts in Blöcken, wobei nur mehr ein Fach pro Tag unterrichtet wird und die Lehrkraft das Lernerlebnis der SchülerInnen so plant, dass innerhalb eines Tages sowohl das Wissen generiert wird, als auch Herausforderungen bei SchülerInnen in einem Tutoring-System durch die Interaktion von LehrerIn und SchülerIn beseitigt werden. Hausaufgaben gibt es in diesem System nicht mehr!  

 

Den LehrerInnen wird hier nicht nur freie Hand bei der Wahl der Unterrichtsmethode gegeben, die Unterrichtsmaterialien müssen auch entsprechend gestaltet werden, was zwangsläufig zu einer Abschaffung des Verlagsschulbuches führen sollte, zumal dieses das alte System zementiert. Aber diesem Thema wird zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht ein eigener Eintrag gewidmet, weil das keinesfalls die Abschaffung des Buchs als Unterrichtswerkzeug bedeutet. Ebenso sollte ein fortlaufendes Assessment durch die Lehrkraft entwickelt werden, damit den SchülerInnen die erfolgreiche Selbstreflexion vermittelt werden kann. 

 

Bei den SchülerInnen muss das Ziel nochmals klar definiert werden! Im Idealfall möchte man kritische, eigenständige und unabhängige Menschen formen, die erfolgreich an unserer Gesellschaft teilhaben können. Keinesfalls wird das durch durch Konformität erreicht. Ideal wäre die Verstärkung der Autonomie der SchülerInnen. Sie erarbeiten sich den Stoff größtenteils selbst, kooperieren mit ihren MitschülerInnen und erleben und begreifen das Wissen im wahrsten Sinne. Die Lehrkraft steht als ständiger Wegbegleiter zur Verfügung und greift ein, sollten sich Herausforderungen ergeben. Während der gesamten Schulzeit gestaltet sich der Tagesablauf immer weniger strukturiert und immer mehr eigenverantwortlich, wobei anfangs eine Struktur vorgegeben werden muss, die durch die Erbringung von Leistungen bei den Leistungsbeurteilungen stetig aufgeweicht wird und in die Kompetenz der SchülerInnen übergeht. 

 

Wenn also Autonomie als Allheilmittel ins Treffen geführt wird, muss sie auch konsequent umgesetzt werden.